Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA): Die vertragliche Grundlage für Ihr BIM-Projekt
In der Bauindustrie hat sich in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Veränderung vollzogen – die Einführung von Building Information Modeling (BIM). Diese innovative Methode revolutioniert die Art und Weise, wie Bauprojekte geplant, entworfen und verwaltet werden. Doch damit BIM sein volles Potenzial entfalten kann, müssen Auftraggeber klare Anforderungen an das Projekt definieren.
Was sind Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)?
Die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) sind ein wesentlicher Bestandteil von Bauprojekten im Kontext von Building Information Modeling (BIM). Diese vertraglichen Anforderungen legen die Leistungen fest, welche ein Auftragnehmer bei der Verwendung von BIM zu berücksichtigen hat. Die AIA sind dabei Bestandteil der Vergabeunterlagen und spezifisch für die zu beauftragenden Leistungen zu erstellen. Falls mehrere Vergaben an unterschiedliche Auftragnehmer oder Projektphase vorgesehen sind, müssen somit auch mehrere spezifische AIA erstellt werden.
Die AIA beschreiben dabei im Wesentlichen das „Was“ als inhaltliche Anforderungen an die digitale Umsetzung von Bauprojekten. Diese Anforderungen können je nach Projekt und den Bedürfnissen des Auftraggebers variieren, daher ist es wichtig, dass sie klar und präzise definiert werden.
Wer ist für die Erstellung der AIA verantwortlich?
Die Verantwortung für die Erstellung der AIA liegt beim Auftraggeber. Dieser kann die Leistung jedoch an speziell dafür beauftragten BIM-Manager vergeben, welche den Auftraggeber unterstützen und die analysierten Anforderungen entsprechend aufarbeiten. Generell tragen die nachfolgenden Rollen Inhalte zu den AIA bei:
- Auftraggeber: Der Auftraggeber trägt die Gesamtverantwortung für das Projekt und formuliert die spezifischen Ziele welche für das Projekt und die Umsetzung mit BIM zu erfüllen sind.
- Projektteam: Das Projektteam, das auftraggeberseitig für die Planung und Durchführung des Bauprojekts verantwortlich ist, trägt einzelne fachliche Aspekte und Inhalte, wie Parameter-, Schnittstellen- und Abgabeanforderungen, bei, welche bei der Erstellung der AIA zu berücksichtigen sind.
- BIM-Manager: BIM-Manager sind verantwortlich für die Entwicklung der AIA. Diese Person ist für die Implementierung von BIM im Projekt verantwortlich und verfügt über das BIM spezifische Fachwissen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen des Auftraggebers methodengerecht aufgearbeitet und formuliert sind. Die Rolle des BIM-Managers kann intern besetzt oder durch externe Berater ausgefüllt werden. Die Vergabe an externe Berater ist vor allem für erste Pilotprojekte zu empfehlen.
Die Entwicklung der AIA
- Definition der Projektziele und -anforderungen: Zunächst werden die Ziele und Anforderungen des Bauprojekts definiert. Dies umfasst Aspekte wie Budget, Zeitrahmen, Qualität, Nachhaltigkeit und Nutzung des fertigen Gebäudes.
- Ableitung von BIM-spezifischen Anwendungsfällen: Basierend auf den definierten Anwendungsfällen werden BIM-spezifische Anwendungsfälle bestimmt, welche zur Erreichung der Projektziele dienen. Hierbei sollte auch berücksichtigt werden, in welchen Leistungsphase welche Auftragnehmer an diesen Anwendungsfällen mitarbeiten und wer die Verantwortung für die Umsetzung übernimmt.
- Identifikation der relevanten Stakeholder: Es werden alle Personen und Organisationen bestimmt, die auf Seiten des Auftraggebers an dem Bauprojekt beteiligt sind und Informationen benötigen. Dazu gehören fachliche Stellen sowie Facility-Manager, welche für den Betrieb des Bauwerks verantworlich sind.
- Einbeziehen aller Stakeholder: Es werden Workshops oder Termine organisiert, um alle relevanten Stakeholder einzubeziehen und die benötigten Anforderungen und Erwartungen an die Informationen aller Beteiligten abzustimmen. Dabei wird sichergestellt, dass alle Stakeholder ein gemeinsames Verständnis von den Zielen des Projekts haben und wissen, wie die Informationen dazu beitragen können, diese Ziele zu erreichen.
- Definition der benötigten geometrischen und alphanumerischen Informationen: Basierend auf den Diskussionen mit den Stakeholdern entsteht eine Übersicht der Informationen, die für den Lebenszyklus des Bauwerks benötigt werden. Diese werden vom/-n (der) BIM-Manager/-in in Form des Level of Information Need (LoIN) aufgearbeitet.
- Festlegen von Informationsstandards und -formaten: Standards und Austauschformate werden für die Erfassung, Speicherung und Übermittlung der Informationen definiert. Um eine Kompatibilität zwischen verschiedenen Softwareanwendungen sicherzustellen, sollten dabei offene Standards wie IFC und BCF verwendet werden.
- Dokumentation und Freigabe der AIA: Die Auftraggeber-Informationsanforderungen werden klar und präzise in einem Dokument festgehalten. Die entwickelten AIA müssen anschließend mit den relevanten Stakeholdern überprüft werden, um sicherzustellen, dass alle Anforderungen korrekt erfasst und verstanden wurden.
Mehrwerte der die Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA)
- Die AIA spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines BIM-Projekts aus mehreren Gründen:
- Klare Kommunikation: Die AIA stellen sicher, dass alle Beteiligten, einschließlich Planer, Architekten, Ingenieure, Auftragnehmer und Facility-Manager, ein gemeinsames Verständnis darüber haben, welche Informationen im BIM-Modell erfasst werden sollen. Dies trägt zur Vermeidung von Missverständnissen und Konflikten während des gesamten Projektablaufs bei.
- Effiziente Datenerfassung und -verwaltung: Durch die Festlegung klarer Informationsanforderungen können Auftraggeber sicherstellen, dass nur relevante Informationen erfasst und im BIM-Modell gespeichert werden. Dies ermöglicht eine effiziente Datenerfassung und -verwaltung, da unnötige Daten vermieden werden und die Datenstruktur des BIM-Modells übersichtlich organisiert wird.
- Erfüllung der Projektziele: Die AIA sind eng mit den Zielen und Anforderungen des Projekts verbunden. Indem die AIA die erforderlichen Informationen definieren, die zur Erreichung dieser Ziele benötigt werden, tragen sie dazu bei, dass das BIM-Modell die Bedürfnisse des Auftraggebers erfüllt und die angestrebten Ergebnisse liefert.
- Qualitätssicherung und Kontrolle: Die AIA dienen als Grundlage für die Qualitätssicherung und -kontrolle im BIM-Prozess. Sie legen Standards und Richtlinien fest, nach denen die erfassten Informationen überprüft und validiert werden können, um sicherzustellen, dass das BIM-Modell den Anforderungen entspricht.
Beispielhafte Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)
Projektinformationen
(BIM-)Ziele des Projekts (Beispiele):
- Widerspruchsfreie Modelle & Pläne.
- Effiziente Zusammenarbeit der Fachgewerke.
- Errichtung eines modernen und energieeffizienten Gebäudes.
- Maximierung der Nutzfläche bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Sicherheit und Komfort.
- Erhöhte Transparenz von Kosten und Terminen.
(BIM-)Anwendungsfälle (Beispiele):
- Koordination der Fachgewerke
- Ableitung von Planunterlagen
- Modellbasierte Mengen- und Kostenermittlung
- Terminplanung der Ausführung
Digitale Liefergegenstände und -zeitpunkte:
Festlegung der digitalen Liefergegenstände in den einzelnen Projektphase je Auftragnehmer und betrachtetem Anwendungsfall. Hierbei sollte auch das Format der Liefergegenstände formalisiert werden. Besonders zum Ende der Leistungsphase empfiehlt sich dabei die Festlegung, dass die Modelle neben dem offenen IFC-Format auch im nativen Format übergeben werden müssen.
Organisation und Rollen:
Festlegung der Projektorganisation in Bezug auf BIM und den spezifischen Rollenbildern, welche die einzelnen Auftragnehmer zu erfüllen haben. Hierbei empfiehlt sich die Orientierung an den standardisierten Rollenbildern nach VDI 2552 und die Einforderungen von Zertifizierungen nach buildingSMART Foundation (VDI 2552:8-1) oder buildingSMART Practitioner (VDI 2552:8-2/3) für die Personen, welche diese Rollen ausfüllen sollen, um grundlegende Fähigkeiten sicherzustellen.
Strategie der Zusammenarbeit:
Die Strategie der Zusammenarbeit beschreibt die Anforderungen an das Projekt nach DIN EN ISO 19650 und die sinnvolle Verwendung einer gemeinsamen Kollaborationsplattform (CDE) in der die Modelle in gewissen Zeitabständen und unter Verwendung von verschiedenen Status zwischen den Beteiligten ausgetauscht werden können.
Qualitätssicherung:
Festlegungen zu den Prozessen der Qualitätssicherung in den unterschiedlichen Stufen in Bezug auf die einzelnen Rollenbildern.
Modellstruktur und Modellinhalte:
Vorgaben zur Modellstruktur und den Inhalten wie Koordinatensysteme, Einheiten, allg. Festlegungen zur Modellierung und der Verweis auf den Level of Information Need (LoIN) als Anhang zu den AIA zur Festlegung der alphanumerischen und geometrischen Anforderungen an die Modelle.
Technologien:
Beschreibung der Anforderungen an einzusetzende Softwareanwendungen oder unterstützende Schnittstellen im openBIM-Prozess. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nicht empfiehlt, die Nutzung einer spezifischen Softwareanwendung, wie Autodesk REVIT, vorzuschreiben. Zudem können Festlegungen zur CDE festgeschrieben werden.
Anhang:
Im Anhang der AIA sollten zu verwendende Modellierungsrichtlinien und der LoIN mit der Angabe, welche Parameter an welchen Elementen in welchen Leistungsphasen zu pflegen sind, angefügt werden. Wichtig beim LoIN ist dabei zu berücksichtigen, dass hierbei nur Attribute gefordert werden sollten, die einen konkreten Mehrwert für den Auftraggeber haben.
Diese beispielhaften AIA dienen als Leitfaden für die Entwicklung des BIM-Modells während der verschiedenen Phasen des Bauprojekts. Sie stellen sicher, dass die erforderlichen Informationen erfasst werden, um die Projektziele zu erreichen und ein erfolgreiches Gebäude zu realisieren.
Fazit
Die Festlegung von Informationsanforderungen ist ein entscheidender Schritt für den erfolgreichen Implementierung von BIM in Bauprojekten. Auftraggeber sollten ein gründliches Verständnis von BIM entwickeln, klare Ziele festlegen, alle relevanten Stakeholder einbeziehen, flexible und anpassungsfähige Anforderungen definieren und Mechanismen zur Qualitätssicherung implementieren. Indem diese Aspekte berücksichtigt werden, können Auftraggeber sicherstellen, dass ihr BIM-Projekt erfolgreich umgesetzt wird und die gewünschten Ergebnisse liefert.