Grundlagen der Trinkwasserhygiene
Wirkkreis der Trinkwassergüte
Hygiene fasst alle Bestrebungen und Maßnahmen zusammen, die mittelbare oder unmittelbare gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim einzelnen Nutzer verhindern. Ziel ist es, die einwandfreie Trinkwasserbeschaffenheit in der Trinkwasserinstallation zu bewahren. Mögliche Beeinträchtigungen können durch mikrobiologische, chemische und/oder physikalisch-chemische Veränderungen des Trinkwassers in Trinkwasserinstallationen verursacht werden und auch nachträglich durch Veränderungen der Betriebsbedingungen entstehen (VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 1).
Die vier wesentlichen, zusammenwirkenden Einflussgrößen der Trinkwasserhygiene sind: Durchströmung, Temperatur, Wasseraustausch und Nährstoffangebot. Der Wirkkreis der Trinkwassergüte fasst sie zusammen und zeigt: In einer Trinkwasserinstallation sind die Einflussgrößen immer zusammenhängend zu betrachten.
An Trinkwasserinstallationen werden grundsätzlich drei Basisanforderungen gestellt:
- Nutzungskomfort: Wassermenge, Temperatur, Schallschutz
- Anlagenbetrieb und Werteerhalt: sicher, nachhaltig, energieeffizient
- Erhalt der Trinkwassergüte
(1) Temperaturen
Die Temperatur ist aus trinkwasserhygienischer Sicht eine kritische Größe. Dabei ist es wichtig, den Temperaturbereich von 20 - 55°C zu vermeiden. Denn der ist besonders günstig für die Vermehrung zahlreicher pathogener Mikroorganismen.
Das Trinkwasser kalt (PWC) darf dabei unter hygienischen Gesichtspunkten (RKI) eine Temperatur von 20°C in der gesamten Trinkwasserinstallation bis zur Entnahmestelle nicht überschreiten und sollte immer so kalt wie möglich sein (Robert-Koch-Instsitut). Die VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 1 erlaubt eine Temperaturobergrenze von 25 °C. Das ist als Zugeständnis an die Gebäudetechnik zu verstehen, denn auch in dieser Richtlinie wird eine Maximaltemperatur von 20 °C für Kaltwasser empfohlen.
Die Temperatur des Trinkwassers warm (PWH) sollte in einer nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) gebauten und betriebenen Trinkwasserinstallation nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik im gesamten zirkulierenden System über 55 °C liegen, um das Risiko der Legionellenkontamination deutlich zu reduzieren (Übergang in das VBNC-Stadium erst bei ≥ 55 °C). Dabei sind die Volumina der endständigen Bereiche ein untergeordneter Faktor bei der Besiedlung mit Legionellen.
Überschreitet das Volumen im längsten Fließweg die Grenze von drei Litern, ist eine Zirkulation zur Temperaturhaltung einzubauen. In diesen Zirkulationssystemen muss nach dem Arbeitsblatt DVGW W 551 die Austrittstemperatur am Trinkwassererwärmer mindestens 60 °C betragen. Außerdem muss das System so betrieben werden, dass in allen Teilstrecken mindestens Temperaturen von 55 °C eingehalten werden. Darüber hinaus ist das System gemäß der DIN 1988-300 hydraulisch abzugleichen, da nur so gewährleistet ist, dass die Temperatur von 55 °C an keiner Stelle des Systems unterschritten wird.
(2) Wasseraustausch
Nach europäischer Normung gilt die Trinkwasserinstallation nur dann als bestimmungsgemäß betrieben, wenn mindestens innerhalb von sieben Tagen ein Wasseraustausch erfolgt (≥ 1 x / 7 d). Dies bezieht sich auf den vollständigen Wasseraustausch in allen Teilstrecken und im Trinkwassererwärmer. Trinkwasserinstallationen sind so zu planen, dass an jeder Entnahmestelle ein Wasseraustausch mindestens alle drei Tage sichergestellt ist, denn in Fragen der Hygiene gilt in Deutschland immer die strengste Vorschrift zum Erhalt der Trinkwassergüte, in diesem Fall die VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 1. Wichtig ist hierbei der Wasseraustausch über alle Entnahmestellen, denn werden diese nicht benutzt, kann das in den Armaturen stagnierende Wasser zu einer Gesundheitsgefährdung des Nutzers führen.
(3) Durchströmung
Eine weitere aus trinkwasserhygienischer Sicht wichtige Größe ist die Dynamik der Wasserbewegung in der Trinkwasserinstallation, die durch Wasseraustausch und Durchströmung (= Strömungsgeschwindigkeit) definiert ist. Auch unter wenig günstigen ökologischen Bedingungen hinsichtlich Temperatur und Nährstoffangebot kann sich ein langsames mikrobielles Wachstum zeigen, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht - das heißt wenn die Wasserbewegung gering ist und/oder das Wasser in der Rohrleitung stagniert. Gerade in überdimensionierten Leitungen besteht das Risiko, dass nur ein laminarer Strom im Zentrum des Rohres strömt - und es damit an den Rohrwandungen nicht zum Wasseraustausch kommt.
Bei ausreichender Durchströmung und damit vorhandenen Scherkräften bildet sich ein relativ stabiler Biofilm, während Stagnation eine lose Ansammlung an Bakterien erzeugt. Um zu vermeiden, dass diese sich ablösen und den Nutzer gefährden, ist es neben der regelmäßigen Nutzung der Entnahmestellen ebenso wichtig, die Rohrleitungen angepasst an den Bedarf zu dimensionieren. Das kann zum Beispiel erreicht werden, indem man eine an die tatsächliche Nutzung angepasste Gleichzeitigkeit verwendet oder herstellerspezifische Zeta-Werte bei der späteren Berechnung einsetzt.
(4) Nährstoffe
Bakterien sind für Wachstum und Vermehrung auf Nährstoffe angewiesen. Die gesundheitlich relevanten C-heterotrophen Bakterien benötigen organische Kohlenstoffverbindungen als Energie und Kohlenstoffquelle (DOC = Dissolved Organic Carbon / löslicher organischer Kohlenstoff). Bakterien in Biofilmen von Trinkwasserinstallationen und in der aquatischen Phase des Trinkwassers können Nährstoffe sowohl aus Installationswerkstoffen als auch aus dem eingespeisten Trinkwasser verwenden.
Bei der Desinfektion von Trinkwasser durch Oxidation können schwer abbaubare Kohlenstoffverbindungen wieder bakterienverfügbar werden.
Der mikrobielle Abbau organischer Partikel ist eine wichtige DOC-Quelle. Der Entzug des DOC erfolgt in erster Linie durch die Aufnahme in Bakterienbiomasse.
Bestimmungsgemäßer Betrieb
Für die einwandfreie Trinkwasserqualität spielt vor allem der hygienisch sichere Betrieb der Trinkwassinstallation eine entscheidende Rolle. Nach den a. a. R. d. T. ist er definiert als „bestimmungsgemäßer Betrieb“. In Trinkwasserinstallationen, die nach den a. a. R. d. T. geplant, gebaut, in Betrieb genommen, betrieben und instandgehalten werden, ist eine mikrobiologisch einwandfreie Trinkwasserbeschaffenheit an der Entnahmestelle sichergestellt.
Zu beachten sind insbesondere...
- ...der bestimmungsgemäße Betrieb (u. a. mit regelmäßiger Wasserentnahme an allen Entnahmestellen),...
- ...die Temperatur des kalten Trinkwassers nicht über 25°C,...
- ...die Temperatur des erwärmten Trinkwassers im gesamten Zirkulationssystem nicht unter 55°C,...
- ...die regelmäßige Instandhaltung.
Bestimmungsgemäßer Betrieb ist der Betrieb der Trinkwasserinstallation mit regelmäßiger Kontrolle auf Funktion sowie die Durchführung erforderlicher Instandhaltungsmaßnahmen für den betriebssicheren Zustand unter Einhaltung der zu Planung und Errichtung zugrunde gelegten Betriebsbedingungen.
Definition nach DIN 1988-200 Abschnitt B 1
Grundvoraussetzung für bestimmungsgemäßen Betrieb
Nachhaltige Dokumentation
Schon in der Planungsphase ist die Erstellung eines Raumbuchs nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 1 essentiell. Dabei handelt es sich um ein mit allen Beteiligten (Bauherr, Architekt, Planer der Trinkwasserinstallation usw.) abgestimmtes Dokument für ein Gebäude mit schriftlich festgehaltenen Nutzungsbeschreibungen der einzelnen Räume sowie erforderlichem Umfang der Trinkwasserinstallation unter besonderer Berücksichtigung der Bedarfsermittlung. Betriebsanweisungen, Instandhaltungs- und Hygienepläne sind bereits ab der Phase der Ausführungsplanung zu erstellen.
Regelmäßige Kontrollen
Voraussetzung für einen bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasserinstallation ist die Einhaltung der zur Planung und Errichtung zugrunde gelegten Betriebsbedingungen. Während des Betriebs sind Funktion und Mängelfreiheit regelmäßig zu kontrollieren. Eine Änderung der Betriebsweise oder Veränderungen an der Trinkwasserinstallation können zu Beeinträchtigungen oder Gefährdungen für Anlagenteile führen und die Trinkwasserbeschaffenheit nachteilig ändern. Die Trinkwasserinstallation ist darauf zu überprüfen. Gegenmaßnahmen (z. B. Rückbau von Anlagenteilen, verbesserte Sicherungseinrichtungen) sind einzuleiten, um den bestimmungsgemäßen Betrieb wiederherzustellen.
Konsequente Instandhaltung
Die Instandhaltung beinhaltet Wartung, Inspektion und Instandsetzung und ist für den Erhalt des betriebssicheren Zustandes notwendig. Wartung und Inspektion sind als Vorsorgemaßnahmen zu sehen, um vorbeugend einen Mangel ausschließen und Gefährdungen abzuwenden. Mit Inspektionen wird der derzeitige Zustand der Trinkwasserinstallation festgestellt und beurteilt. Ggf. können Maßnahmen ergriffen werden, um Mängel gezielt vorzubeugen. Wenn Mängel eingetreten sind, ist eine Instandsetzung bzw. Sanierung durchzuführen.
Sollte es dennoch zur Betriebsunterbrechung kommen, werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Schutzmaßnahmen gegen Verunreinigungen
Zur Vermeidung einer Kontamination innerhalb einer Trinkwasserinstallation sind bestimmte Vorgehensweisen einzuhalten. Dies ist besonders wichtig in Einrichtungen wie Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen, in denen Personen mit geschwächtem Immunsystem untergebracht sind.
Angemessen transportieren und lagern
Um den Aufwand zur Beseitigung der Verunreinigungen von Anfang an so gering wie möglich zu halten, ist es notwendig, bei Installations- aber auch bei Instandsetzungsarbeiten den Eintrag von Verunreinigungen weitestgehend zu vermeiden. Dabei sind sämtliche eingesetzten Anlagenteile für die Trinkwasserinstallation so zu transportieren und zu lagern, dass Innenverschmutzungen durch Erde, Schlamm, Schmutzwasser, Krankheitserreger, Kleintiere usw. bei der Installation sicher vermieden werden.
Auf die Notwendigkeit von Instandhaltungen hinweisen
Von Anfang an ist ein fehlender Wasseraustausch in nicht genutzten Trinkwasserleitungen zu vermeiden (z. B. Gäste-WC, Außenzapfstelle). Ansonsten besteht die Gefahr einer mikrobiologischen Verunreinigung. Da der Betreiber die gesetzlichen Pflichten und die technischen Regeln nicht kennt, gehört es zu den Informationspflichten von Planern und ausführenden SHK-Fachbetrieben, auf die Notwendigkeit von Instandhaltungen und eines bestimmungsgemäßen Betriebs hinzuweisen.
Hygieneplan entwerfen
Nach DIN 1988-200 (Abschnitt 3.8: Planungsgrundlagen) ist für Gebäude mit besonderer Nutzung - zum Beispiel Krankenhäuser, Seniorenwohnheime, Kindergärten, Schulen und Gebäude mit gewerblicher Nutzung - zusätzlich ein Hygieneplan erforderlich. Dieser muss Angaben und Hinweise für die erhöhten Anforderungen der Instandhaltungsmaßnahmen und Maßnahmen bei Störfällen enthalten.
Forderungen, die einzuhalten sind:
- Transport- und Lageranleitungen der Hersteller der verwendeten Anlagenteile
- Schutzvorgaben/-maßnahmen nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 1 (Hygiene in der Trinkwasserinstallation)
- DVGW-Arbeitsblatt W 557 „Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen“
- DIN 1988-100 + 200
- DIN EN 806-1, 806-2, 806-4, 806-5
Weitere Schutzvorgaben/-maßnahmen |
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Übersicht: Voraussetzungen für den bestimmungsgemäßen Betrieb
- Bedarfsorientierte Planung nach den Vorgaben der Raumbücher
- Fachgerechte Ausführung, Abnahme und Übergabe
- Dokumentierte Einweisung des Betreibers
- Ausreichend fachlich ausgebildetes Personal
- Verfügbarkeit relevanter Planungs- und Betriebsunterlagen (Anlagenbuch)
- Klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten (Eigentümer und/oder Betreiber)