Beprobungspflicht bei dezentraler Trinkwassererwärmung
Viele Installateure und TGA-Fachplaner sehen in dezentralen Trinkwassererwärmern, beispielsweise Durchlauferhitzern oder Wohnungsstationen, aktuell den „Königsweg“ für die Kombination aus Hygieneerhalt und Energieeffizienz in Trinkwasser-Installationen.
Das stimmt aber nicht pauschal: In bestimmten Fällen kann es durch den Einsatz dezentraler Trinkwassererwärmer sogar zu einer Erhöhung des Hygienerisikos kommen, ohne dass gleichzeitig signifikante Energieeinsparungen erzielt würden.
Auf dieser Seite beantworten wir,
- welche rechtlichen Grundlagen zu beachten sind,
- welche Hygienerisiken in Bezug auf die dezentrale Erwärmung des Trinkwassers bestehen und
- wie Installateure und Planer damit bestmöglich umgehen können.
Systeme zur dezentralen Erwärmung von Trinkwasser bieten nach aktuellem Kenntnisstand keine hygienische Sicherheit.
Gesetze, Richtlinien, Empfehlungen: die Rahmenbedingungen
Zum Erhalt der Trinkwassergüte gibt es viele Verlautbarungen unterschiedlicher Protagonisten. Dazu zählt zum Beispiel der Gesetzgeber, das Umweltbundesamt (UBA), das Robert Koch Institut (RKI) oder verschiedene Fachverbände wie der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Außerdem sind diverse DIN-Normen zur Planung und Erstellung von Trinkwasserinstallationen veröffentlicht worden.
Wie sind diese vielen Maßgaben zu gewichten? Und wie werden dadurch die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) definiert?
In diesem Bereich finden Sie eine kurze Orientierung zum Überblick.
Zur Beprobung von Trinkwasser-Installationen gibt es viele verschiedene Verlautbarungen. Vor allem deshalb sollten sich Installateure und Planer gut auskennen.
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Was steht in der Trinkwasserverordnung?
Ein Vorteil der dezentralen Trinkwassererwärmung soll in der wegfallenden Beprobungspflicht auf Legionellen liegen. Begründet wird dies mit einer Formulierung in der Trinkwasser-Verordnung (TrinkwV), wonach eine Beprobungspflicht nur für „Großanlagen … mit Speicher-Trinkwassererwärmer oder mit zentralem Durchfluss-Trinkwassererwärmer jeweils mit einem Inhalt von mehr als 400 Litern oder einem Inhalt von mehr als drei Litern in mindestens einer Rohrleitung zwischen Abgang des Trinkwassererwärmers und Entnahmestelle (vgl. auch DVGW-Arbeitsblatt W 551)“ besteht (Quelle: Bundesgesundheitsministerium).
Diese technischen Voraussetzungen werden durch die dezentralen Trinkwassererwärmer vermeintlich ausgehebelt.
Die abgeleitete Praxis, auf eine regelmäßige Legionellenuntersuchung zu verzichten, ist jedoch klar nicht zu empfehlen. Um nachzuweisen, ob man als Betreiber, Vermieter oder Arbeitgeber Trinkwasser nach Trinkwasserverordnung abgibt und eine Gefährdung der Mieter oder Arbeitnehmer ausgeschlossen ist, muss die Installation auf jeden Fall beprobt werden.
Diese Pflicht besteht nicht nur auf Grundlage der Trinkwasserverordnung, sondern auch aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes und der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.
Wasser für den menschlichen Gebrauch muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen ist.
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Was sagt der Gesetzgeber?
Aufgrund von § 4 des Arbeitsschutzes (ArbSchG) und der Verkehrssicherungspflicht für jede Art von Trinkwasser-Installationen ergibt sich eine Untersuchungspflicht. Davon betroffen sind vor allem Arbeitgeber, die nach ArbSchG dafür verantwortlich sind, sauberes Trinkwasser für ihre Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.
Diese Pflicht wird auch durch das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ – kurz Infektionsschutz-Gesetz (IfSG) – unterstrichen. Das IfSG ist die gesetzliche Grundlage zur Sicherung und Überwachung der Qualität des Trinkwassers und erfüllt mit seinen Bestimmungen den Zweck, übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen fühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.
In § 7 des IfSG wird zum Beispiel definiert, dass Legionellen in den Bereich der meldepflichtigen Erreger fallen. § 37 des IfSG fordert darüber hinaus, dass Trinkwasser keine mittelbare oder unmittelbare Gefahr darstellen darf.
Die resultierende Pflicht zur Untersuchung des Trinkwassers hat sogar der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 6. Mai 2015 (Az. VIII ZR 161/14) bestätigt: Über die Trinkwasser-Installation eines Wohnhauses an die Mieter abgegebenes Trinkwasser ist nach diesem Urteil auf das Vorhandensein von Legionellen zu untersuchen.
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Was sagen die allgemein anerkannten Regeln der Technik?
Verantwortlich für die Einhaltung der Trinkwasserqualität in Hausinstallationen ist der jeweilige Eigentümer und Betreiber. Um dieses Ziel zu erreichen, wird empfohlen, mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) einzuhalten.
In Bezug auf Trinkwasserinstallationen werden die a.a.R.d.T. häufig mit den Inhalten von DIN-Normen, VDI-Richtlinien und DVGW-Arbeitsblättern gleichgesetzt. Das ist jedoch eine Fehleinschätzung.
Die a.a.R.d.T. werden zwar gesetzlich nicht definiert, allgemein aber wie folgt beschrieben:
Regeln, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Verkehrskreise (Fachleute, Anwender, Verbraucher und öffentliche Hand) zur Erreichung des gesetzlich vorgegebenen Ziels geeignet sind
Regeln, die im Rahmen gesetzlicher Zielvorgaben als Teil der Verhältnismäßigkeitserwägung wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen
Regeln, die sich in der Praxis allgemein bewährt haben oder deren Bewährung nach herrschender Auffassung in überschaubarer Zeit bevorsteht
Außerdem muss eine a.a.R.d.T. aktuell sein und darf nicht durch eine wissenschaftliche Erkenntnis widerlegbar sein.
Die Einhaltung der a.a.R.d.T. wird auch in der Trinkwasserverordnung gefordert. Unter den §§ 4 und 17 der Trinkwasserverordnung wird mindestens die Einhaltung der a.a.R.d.T. gefordert. Ein höherwertiges Schutzniveau, zum Beispiel durch die Anwendung des Standes der Technik oder gar des Standes von Wissenschaft und Technik, kann jederzeit angewendet werden.
Die allgemein anerkannten Regeln der Technik stellen lediglich privatrechtliche Empfehlungen dar und sind nicht mit DIN-Normen, VDI-Richtlinien oder DVGW-Arbeitsblättern gleichzusetzen.
Auf einen Blick: Gefahren & Risiken dezentraler TW-Erwärmung
Fehlende Transparenz durch fehlende Proben
Auf eine regelmäßige Legionellenuntersuchung zu verzichten ist eine weit verbreitete Praxis. Diese Vorgehensweise ist aber - nicht nur aufgrund der beschriebenen rechtlichen Rahmenbedingungen - grundsätzlich nicht zu empfehlen.
Zwar sind nur wenige Fälle hygienisch belasteter Trinkwasser-Installationen mit dezentraler Trinkwassererwärmung bekannt. Dies liegt im Regelfall jedoch weniger an der hygienischen Sicherheit von Durchlauferhitzern oder anderen dezentralen Durchfluss-Trinkwassererwärmern.
Grund ist vielmehr die fehlende Datenbasis, da solche Trinkwasser-Installationen üblicherweise nicht beprobt werden.
Auch bei dezentraler Erwärmung des Trinkwassers muss regelmäßig geprobt werden, um Gefahren für Menschen durch Legionellen auszuschließen.
Die Absenkung der Systemtemperaturen zur Einsparung von Energie muss kritisch geprüft werden, um die Gefahr von Legionellen im Trinkwasser auszuschließen.
Energieeinspraung durch Absenken der Systemtemperaturen?
In gut gedämmten Neubauten macht der Aufwand für die Bereitung von Trinkwasser warm mittlerweile einen übermäßig hohen Anteil am Gesamtenergiebedarf aus. Um die geforderten 60/55 °C zu erreichen, wird der Warmwasserspeicher oft kostenintensiv nachgeheizt. Das ist ökologisch und ökonomisch wenig sinnvoll.
Aus energetischer Sicht wäre es deshalb sinnvoller, Warmwasser nur auf die Temperatur der Nutzung (35 bis 45 °C) aufzuheizen.
Allerdings gilt, dass sich Alternativen, die zu einer Einsparung von Energie führen können, einer kritischen Prüfung durch Experten stellen müssen.
Grund dafür ist die Gefahr, dass die gewünschte Energieeinsparung durch Reduzierung der Warmwassertemperatur zu Lasten eines erhöhten Risikos für Legionelleninfektionen über warmes Leitungswasser geht.
Wenig Platz, viele Leitungen: zusätzliche Risiken durch Fremderwärmung
Architekten planen für Wohngebäude und dezentrale Trinkwassererwärmer fast immer nur einen Schacht, in dem sowohl alle warmgehenden Leitungen als auch die Steigleitung für Trinkwasser kalt (PWC) liegen. Es besteht die Gefahr, dass Trinkwasser durch parallel laufende Leitungen im engen Schacht erwärmt wird.
Der Erhalt der Trinkwassergüte ist dadurch schon auf dem Weg vom Hauseintritt bis zur letzten Entnahmestelle infolge von Fremderwärmung gefährdet, die mikrobielles Wachstum nachweislich fördert.
In vielen Gebäuden werden unterschiedliche Leitungssysteme durch enge Schächte geführt. Das hat Konsequenzen, auch für die Qualität des Trinkwassers.
Praxis-Einblick: Untersuchungen in Wohnanlage
Dezentrale Trinkwassererwärmer, wie Durchlauferhitzer oder Wohnungsstationen, werden häufig als Lösung angesehen, um Trinkwassergüte und Energieeffizienz in Einklang zu bringen. Das ist ein Irrtum. Es kann auch hier zu hygienekritischen Belastungen des Trinkwassers kommen. Bestätigt wird das durch Erfahrungen des Medizinaluntersuchungsamtes Schleswig-Holstein (MUA SH).
Im Rahmen eines Forschungsprojektes einer Appartementanlage mit 84 Wohneinheiten und dezentraler Warmwasserversorgung mit wohnungseigenen Durchlauferhitzern unter Einhaltung der 3-Liter-Regel ergab die Legionellenuntersuchung in 37 Prozent der Proben bzw. 54 Proben der Wohnungen Keimzahlen oberhalb des technischen Maßnahmenwertes der Trinkwasserverordnung.
In 5 Prozent der Proben bzw. 12 Prozent der Wohnungen war sogar der Gefahrenwert von 10.000 KBE/100 ml überschritten.
Ein Zusammenhang zwischen erhöhter Legionellenzahl im Warmwasser und Stagnationszeiten oder Temperatur (größer / kleiner 50 °C) am Durchlauferhitzer war dabei allerdings nicht feststellbar.
Auch die Nutzung der Wohnungen bzw. Leerstände spielte keine Rolle. Dies lässt den Schluss nahe, dass die dezentralen Trinkwassererwärmer an sich hygienisch unsicher sind - unabhängig von der Temperatur oder der Häufigkeit des Wasseraustauschs.
(Die gewonnenen Erkenntnisse) lassen den Schluss zu, dass die dezentralen Trinkwassererwärmer an sich hygienisch unsicher sind.
Fazit: Lösungsansätze & Handlungsempfehlungen
Die Erkenntnisse zeigen: Systeme zur dezentralen Erwärmung von Trinkwasser bieten nach aktuellem Kenntnisstand keine hygienische Sicherheit. Im Gegensatz zu zentralen Versorgungssystemen gibt es derzeit auch keine Regelungen zu deren hygienisch sicherem Betrieb.
Die vorherrschende Praxis, auf eine regelmäßige Legionellenuntersuchung zu verzichten, ist deshalb nicht zu empfehlen.
Ein regelmäßiger, hinreichender Wasseraustausch und die hygienegerechte sichere Temperaturhaltung in Warm- und Kaltwasser-Installationen (≥ 55 °C und < 25 °C (empfohlen: < 20 °C)) gehören aber trotzdem weiterhin zu den nicht verhandelbaren Anforderungen an jede hygienegerechte Auslegung einer Trinkwasser-Installation.
Die Probenahmepflicht für zentrale aber auch dezentrale Trinkwassererwärmungsanlagen gilt allgemein nicht nur im Rahmen der Trinkwasserverordnung.
Nur so kann gesundheitsgefährdendes Legionellenwachstum verhindert und damit rechtliche Rahmenbedingungen eingehalten werden.
Dezentrale Trinkwassererwärmung bedeutet nicht automatisch keine Beprobung: Der Betreiber hat eine Verkehrssicherungspflicht, aus der heraus sich auch die Beprobung dezentraler Anlagen ergibt.
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Wir zeigen Ihnen Grundlagen und Herausforderungen der Trinkwasserhygiene und stellen Ihnen AquaVip Solutions vor, das eine neue Ära in der Gebäudeplanung einläutet.
Auch in Fachzeitschriften wird das Thema Beprobungspflicht bei dezentraler Erwärmung des Trinkwassers behandelt.
Einen interessanten Artikel aus dem TGA Fachplaner zum Zusammenhang von Trinkwasserhygiene und Beprobungspflicht finden Sie auf der rechten Seite zum Download.